Korrosionsgefahren im Blick: Die verschiedenen Arten von Korrosion bei Edelstahl

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Korrosion ist ein unvermeidbares Phänomen bei vielen Stahl- und Metallprodukten und kann schwerwiegende Auswirkungen auf die Haltbarkeit und Funktionalität haben. Besonders bei korrosionsbeständigem Edelstahl ist es wichtig, die verschiedenen Arten von Korrosionserscheinungen und ihre Entstehungsmechanismen zu verstehen, um gezielt Gegenmassnahmen zu ergreifen. Von allgemeiner, gleichmässiger Korrosion bis hin zu Loch- und Spaltkorrosion, sowie Spannungsrisskorrosion und Fremdrost, gibt es viele unterschiedliche Arten von Korrosion. Korrosion kann auf verschiedene Mechanismen und Erscheinungsbilder zurückgeführt werden. Obwohl sie unterschiedlich aussehen mögen, haben sie alle die gleiche Ursache: die «ungenügende Passivität» des Stahls unter bestimmten Bedingungen. In diesem Blogartikel werden wir einige der gängigsten und am häufigsten auftretenden Arten von Korrosionserscheinungen näher beleuchten und Wege aufzeigen, wie man diese vermeiden oder reduzieren kann.

Sarah Berger
Marketingfachfrau
12. Juni 2025

Gleichförmige oder allgemeine Korrosion

Korrosion kann ein ernstes Problem für Materialien wie Edelstahl darstellen, da es ihre Haltbarkeit und Sicherheit beeinträchtigen kann. Eine der Arten von Korrosion, die auftreten kann, ist die gleichmässige oder allgemein abtragende Korrosion, bei der alle Stellen der Oberfläche gleichmässig korrodieren. Diese Art der Korrosion ist für das menschliche Auge gut sichtbar und kann durch Versuche im Labor sowie in der Praxis genau bestimmt werden. Die Abtragsrate des Materials kann mittels Konzentration und Temperatur sehr genau ermittelt werden und diese Werte können beispielsweise für Lebensdauerberechnungen verwendet werden. Edelstahl, der unter bestimmten Korrosionsbedingungen eine Korrosionsrate von weniger als 0,1 mm / Jahr aufweist, wird als «unter diesen Bedingungen korrosionsbeständig» bezeichnet. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass Edelstahl auch für andere Korrosionsarten anfällig  sein kann. Daher ist eine regelmässige Überprüfung und Wartung angebracht, um seine Langlebigkeit und Sicherheit zu gewährleisten.

Lochkorrosion (Chlorinduzierte Korrosion, Lochfrass)

Lochkorrosion ist eine Korrosionsart, die selbst Edelstahl starke Schäden zufügen und punktartige Durchbrüche im Material generieren kann. 

Ursachen von Lochkorrosion

Lochkorrosion tritt auf, wenn das Grundmaterial lokal von einem aggressiven Medium angegriffen wird. Bei Edelstahl bleibt der grösste Teil der Oberfläche passiv und unbeschädigt, während kleine Grübchen in unregelmässiger Verteilung entstehen. Diese Grübchen können sich in kurzer Zeit vertiefen und sogar ein Blech oder Rohr durchdringen. Lochkorrosion tritt insbesondere in Anwesenheit von Halogenidionen wie Chlorid- und Bromidionen auf, wobei Chloridionen am weitesten verbreitet sind.

Mechanismus der Lochkorrosion

Die Vorgänge bei der Lochkorrosion sind komplex. An bestimmten Stellen auf der passiven Oberfläche des Edelstahls wird die Schutzschicht durchbrochen, wodurch diese Stellen aktiv und unedler als der Rest der Oberfläche werden. Diese aktiven Stellen fungieren als Anoden, während der unbeschädigte Teil der Oberfläche als Kathode fungiert. Diese Anoden-Kathoden-Beziehung erzeugt galvanische Elemente, die einen elektrischen Strom erzeugen. Die Anoden und Kathoden werden vom gleichen Stromfluss durchflossen, wobei die Anoden aufgrund ihrer kleinen Oberfläche eine hohe Stromdichte aufweisen und somit eine schnelle Auflösungsgeschwindigkeit haben. Dies erklärt die punktartigen Durchbrüche, die in der Praxis häufig beobachtet werden.

Neueste Untersuchungsmethoden zeigen, dass die Angriffe immer an Inhomogenitäten des Werkstoffes (Verunreinigungen, Einschlüsse, Ausscheidungen) erfolgen. Die Reinheit des Werkstoffes ist somit ebenso von Bedeutung wie die chemische Zusammensetzung des Stahles selbst . 

Günstig auf die Lochfrassbeständigkeit wirken insbesondere Chrom, Molybdän und Stickstoff. Dieser Sachverhalt wird gerne mittels einer Wirksumme, dem PRE-Wert (= Pitting Resistance Equivalent), ausgedrückt:

PRE = %Cr + 3.3x%Mo + 16x%N

Je höher der PRE-Wert ist, desto besser ist die Beständigkeit des Werkstoffs in chloridhaltigen Medien.

Element Beständigkeit gegen Lochfrass steigert Beständigkeit gegen Lochfrass senkt
Chrom (Cr) x
Molybdän (Mo) x
Stickstoff (N) x
Titan (Ti) x
Niob (Nb) x
Schwefel (S) x
Selen (Se) x
Kohlenstoff (C ) x

Auswirkungen von Lochkorrosion

Lochkorrosion kann schwerwiegende Auswirkungen haben, insbesondere in industriellen Anwendungen, bei denen Edelstahl in Kontakt mit aggressiven Medien wie salzhaltigen Lösungen steht. Die Durchbrüche, die durch Lochkorrosion entstehen, können zu Leckagen führen, was zu Produktverlust, Betriebsausfällen und möglicherweise sogar zu Sicherheitsrisiken führt. Daher ist es wichtig, Massnahmen zu ergreifen, um Lochkorrosion zu verhindern.

Schutzmassnahmen gegen Lochkorrosion

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um Lochkorrosion bei Edelstahl zu verhindern:

  • Werkstoffauswahl: Mit der richtigen Werkstoffwahl (PRE-Wert!) ist meistens die Gefahr gebannt. Ein hoher Reinheitsgrad begünstigt Lochfrassbeständigkeit zusätzlich. 

  • Konstruktive Massnahmen: Bei der Konstruktion von Apparaturen sollte darauf geachtet werden, dass keine Spalten oder Säcke vorhanden sind, in denen sich Halogenidionen ansammeln können. Eine glatte Oberfläche, die gebeizt, geschliffen oder fein poliert und passiviert wurde, kann die Beständigkeit gegen Lochkorrosion verbessern.

  • Kathodischer Schutz: Kathodischer Schutz ist eine effektive Methode, um Lochkorrosion zu verhindern. Es gibt zwei gängige Verfahren: das Prinzip der Opferanoden und das Prinzip der Fremdstromquelle. Beim Prinzip der Opferanoden werden Elektroden aus einem unedleren Metall, wie z.B. Magnesium oder Zink, in das Medium eingetaucht und mit dem zu schützenden Edelstahl verbunden. Diese Opferanoden lösen sich im Laufe der Zeit auf und müssen ersetzt werden. Beim Prinzip der Fremdstromquelle wird ein elektrischer Strom von einer externen Stromquelle auf den Edelstahl aufgebracht, wobei eine inerte Hilfselektrode verwendet wird, die nicht mit dem Edelstahl in Kontakt kommen darf.

Lochkorrosion kann eine ernsthafte Bedrohung für Edelstahl darstellen. Durch die richtige Werkstoffauswahl, konstruktive Massnahmen und den Einsatz von kathodischem Schutz kann die Lochkorrosion bei Edelstahl effektiv verhindert werden. Es ist ratsam, Fachleute zu konsultieren, um die geeigneten Schutzmassnahmen für spezifische Anwendungen zu bestimmen und so die Langlebigkeit und Zuverlässigkeit von Edelstahlkomponenten zu gewährleisten.

Spaltkorrosion

Edelstahl ist bekannt für seine hohe Korrosionsbeständigkeit, jedoch ist er auch anfällig für bestimmte Korrosionsarten wie Spaltkorrosion.

Ursachen von Spaltkorrosion bei Edelstahl

Spaltkorrosion tritt vor allem in konstruktionsbedingten Spalten und Hohlräumen auf, kann aber auch an sogenannten Dreiphasengrenzen (Werkstoff / Medium / Luft) stattfinden. 

Wenn Flüssigkeiten einen engen Spalt zwischen zwei Materialwänden füllen, kann die Lösung häufig zurückgehalten werden, was zur Ansammlung von Schlamm und Verunreinigungen führt. Dadurch gelangt weniger Sauerstoff an die Oberfläche des Edelstahls, der für die Passivierung erforderlich ist, während korrosive Substanzen sich in den Spalten anreichern können. Dies führt zwangsläufig zu lokalen Korrosionsangriffen. Spaltkorrosion kann beispielsweise unter Dichtungen, Schraubverbindungen und Verkrustungen, wie Verkalkungen, auftreten.

Auswirkungen von Spaltkorrosion

Spaltkorrosion kann ernsthafte Folgen haben, insbesondere wenn sie unbemerkt bleibt oder in schwer zugänglichen Bereichen auftritt. Die Korrosion in den Spalten kann zu Materialschwächung, Leckagen und sogar strukturellen Schäden führen. Zudem kann die Ansammlung von Verunreinigungen und Schlamm in den Spalten die Korrosionsprozesse beschleunigen und die Wirksamkeit von Schutzmassnahmen beeinträchtigen.

Schutzmassnahmen gegen Spaltkorrosion

Um Spaltkorrosion bei Edelstahl zu verhindern, sollten folgende Schutzmassnahmen berücksichtigt werden:

  • Werkstoffwahl: Wie im Falle von Lochfrass weisen Edelstähle mit hohem PRE-Wert bessere Beständigkeit gegen Spaltkorrosion auf

  • Spaltfreie Konstruktion: Bei der Konstruktion von Komponenten und Anlagen sollten Spalten und Hohlräume vermieden werden. Durch eine sorgfältige Gestaltung können potenzielle Bereiche für Spaltkorrosion minimiert werden.

  • Sauerstoffzutritt gewährleisten: Falls Spalten unvermeidbar sind, sollten sie ausreichend geöffnet sein, um den Sauerstoffzutritt zur Stahloberfläche zu erleichtern. Dies kann durch die Optimierung von Dichtungen, Schraubverbindungen und anderen konstruktiven Details erreicht werden.

  • Regelmässige Inspektion und Reinigung: Ist mit Verkrustungen wie Verkalkungen zu rechnen, ist es ratsam, die betroffenen Teile zu polieren oder die Konstruktion so zu gestalten, dass eine Besichtigung und Reinigung dieser Bereiche möglich ist. Dadurch können Ablagerungen entfernt und mögliche Korrosionsherde beseitigt werden.

Durch die richtige Materialwahl und die Implementierung geeigneter Schutzmassnahmen kann die Langlebigkeit und Zuverlässigkeit von Edelstahl in verschiedenen Anwendungen gewährleistet werden.

Kontaktkorrosion (galvanische Korrosion)

Edelstahl ist für seine hohe Korrosionsbeständigkeit bekannt, doch in bestimmten Fällen kann er von einer speziellen Form der Korrosion betroffen sein – der Kontaktkorrosion, auch bekannt als galvanische Korrosion.

Ursachen von Kontaktkorrosion bei Edelstahl

Kontaktkorrosion tritt auf, wenn Edelstahl mit einem anderen elektrisch leitenden Material (in der Regel Metall) in einem Elektrolyten in elektrisch leitender Verbindung steht. Dabei fliessen galvanische Ströme durch den Elektrolyten. Je nach Position des Metalls in der elektrochemischen Spannungsreihe, im Vergleich zum korrosionsbeständigen Edelstahl, nimmt die Widerstandsfähigkeit des Edelstahls zu oder ab. Einige Elektrolyten können die passive Schutzschicht des Edelstahls durchdringen und den Stahl in einen aktiven Zustand versetzen. Dadurch wird das Potential des Stahls verringert und kann niedriger sein als das Potential des Kontaktmetalls. Das Potential von Metallen und Legierungen kann sich je nach Konzentration und chemischer Zusammensetzung des Elektrolyten verändern.

Auswirkungen von Kontaktkorrosion

Kontaktkorrosion kann schwerwiegende Auswirkungen auf den Edelstahl haben. Durch den galvanischen Stromfluss und die Veränderung des Potentials kann der Edelstahl in der Nähe der Kontaktstelle lokal korrodieren. Dies führt zu Materialverlust, Oberflächenschäden und möglicherweise zu strukturellen Beeinträchtigungen. Kontaktkorrosion kann auch zu einer beschleunigten Korrosion des weniger korrosionsbeständigen Stahls führen, was zu einer Beeinträchtigung der Gesamtfunktion und -integrität des Systems führen kann.

Schutzmassnahmen gegen Kontaktkorrosion

Um Kontaktkorrosion bei Edelstahl zu verhindern, sollten folgende Schutzmassnahmen berücksichtigt werden:

  • Verwendung artgleicher Werkstoffe: Wenn möglich, sollten artgleiche Werkstoffe für Verbindungen gewählt werden. Dies minimiert das Risiko einer Kontaktkorrosion, da die Materialien ähnliche elektrochemische Eigenschaften aufweisen.

  • Isolation der Metalle: Wenn verschiedene Materialien verwendet werden müssen, sollten sie elektrisch vollständig voneinander isoliert werden. Dies kann durch die Verwendung von Kunststoffbeschichtungen, Farbanstrichen oder anderen Isolationsmethoden erreicht werden.

  • Optimierung des Elektrolyten: Die Wahl des Elektrolyten kann ebenfalls einen Einfluss auf die Kontaktkorrosion haben. Durch die Auswahl eines geeigneten Elektrolyten mit niedriger Korrosivität und geringem Potentialunterschied zwischen den Materialien kann das Risiko von Kontaktkorrosion verringert werden.

  • Elektrochemischer Schutz: Eine effektive Methode zur Vermeidung von Kontaktkorrosion ist die Implementierung von elektrochemischem Schutz, wie dem kathodischen Schutz. Dies beinhaltet die Verwendung von Opferanoden oder externen Stromquellen, um den Edelstahl zu schützen und den galvanischen Stromfluss zu reduzieren.

Die folgende Tabelle zeigt, welche Materialpaarungen (Materialien in direktem elektrischem Kontakt) unter welchen Bedingungen eingesetzt werden können:

rostfreier Stahl C-Stahl Alu-Bronze Phosphor-Bronze Kupfer Gusseisen Aluminium Zink
rostfreier Stahl o x = = = x x =
C-Stahl x o x x x = x x
Alu-Bronze = x o o o x x x
Phosphor-Bronze = x o o o x x x
Kupfer = x o o o x x x
Gusseisen x = x x x o x x
Aluminium x x x x x x o =
Zink = x x x x x = o

*Anmerkungen

o → Paarung kann unter allen Umständen verwendet werden

= → Paarung kann unter trockenen Bedingungen verwendet werden

x → Paarung soll nicht verwendet werden

Kontaktkorrosion stellt eine potenzielle Gefahr für Edelstahl dar, wenn er mit anderen elektrisch leitenden Materialien in einem Elektrolyten in Kontakt kommt. Eine sorgfältige Werkstoffauswahl, die Verwendung artgleicher Materialien, die Isolierung der Metalle und der Einsatz von elektrochemischen Schutz sind entscheidende Massnahmen, um die Korrosionsbeständigkeit von Edelstahl zu gewährleisten und seine Lebensdauer zu verlängern. Indem wir uns der Herausforderungen der Kontaktkorrosion bewusst sind und entsprechende Vorkehrungen treffen, können wir sicherstellen, dass Edelstahl seine herausragenden Eigenschaften in verschiedenen Anwendungen optimal entfalten kann.

Interkristalline Korrosion (Korngrenzenkorrosion, Kornzerfall)

Edelstahl ist bekannt für seine hohe Korrosionsbeständigkeit, aber es gibt bestimmte Bedingungen, unter denen er anfällig für eine spezielle Art der Korrosion ist - die interkristalline Korrosion, auch bekannt als Korngrenzenkorrosion oder Kornzerfall. 

Ursachen der interkristallinen Korrosion

Interkristalline Korrosion tritt bei austenitischen und ferritischen Stählen auf, wenn der Stahl für längere Zeit Temperaturen zwischen etwa 500 und 900°C (für austenitische Stähle) bzw. über 1000°C (für ferritische Stähle) ausgesetzt wird. Dies kann während einer Wärmebehandlung oder beim Schweissen auftreten. Unter diesen Bedingungen scheiden sich Chromkarbide an den Korngrenzen aus. Dadurch wird der Umgebung das für den Korrosionsschutz wichtige Chrom entzogen und der Korngrenzenbereich verliert an Chrom und damit an Korrosionsbeständigkeit. Die Korrosion breitet sich entlang der Korngrenzen aus und führt letztendlich zur Zerstörung des Gefüges.

Schutzmassnahmen gegen interkristalline Korrosion

Um die interkristalline Korrosion bei Edelstahl zu verhindern, können verschiedene Massnahmen ergriffen werden:

  • Reduzierung des Kohlenstoffgehalts: Durch eine Verringerung des Kohlenstoffgehalts auf unter 0,03 % kann die Bildung von Karbiden beeinflusst werden. Werkstoffe wie 1.4306 / 07 oder 1.4404 / 32 / 35 werden häufig eingesetzt, da sie einen niedrigen Kohlenstoffgehalt aufweisen.

  • Stabilisierung des Kohlenstoffs: Eine weitere Möglichkeit besteht darin, den Kohlenstoff durch stark karbidbildende Legierungselemente wie Niob oder Titan zu stabilisieren oder abzubinden. Diese Methode wurde in der Vergangenheit angewendet, als die Techniken zur Absenkung des Kohlenstoffgehalts noch nicht so ausgereift waren. Heutzutage ist der Einsatz dieser stabilisierten Werkstoffe in der Regel nur noch bei höheren Betriebstemperaturen ab etwa 300°C sinnvoll. Bei niedrigeren Temperaturen bevorzugt man Werkstoffe mit niedrigem Kohlenstoffgehalt.

  • Lösungs- respektive Rekristallisationsglühen: Durch das Glühen bei Temperaturen über 1050°C für austenitische Stähle bzw. zwischen 750 und 850°C für ferritische Stähle, gefolgt von einer schnellen Abkühlung, können die Karbide wieder aufgelöst werden. Dadurch wird die Empfindlichkeit gegenüber Korngrenzenangriffen reduziert.

Durch die Anwendung geeigneter Massnahmen, wie die Reduzierung des Kohlenstoffgehalts, die Stabilisierung des Kohlenstoffs oder das Rekristallisationsglühen können die Auswirkungen der interkristallinen Korrosion minimiert werden. Es ist wichtig, diese Massnahmen bei der Konstruktion und Verwendung von Edelstahlkomponenten zu berücksichtigen, um eine langfristige und zuverlässige Korrosionsbeständigkeit zu gewährleisten.

Spannungsrisskorrosion (SRK)

Spannungsrisskorrosion entsteht durch das Zusammenspiel von Zugspannungen, einem aggressiven Medium und einem auf SRK empfindlichen Werkstoff. 

Ursachen der Spannungsrisskorrosion

Für das Auftreten von SRK müssen immer drei Faktoren gleichzeitig vorhanden sein: Zugspannungen, ein aggressives Medium und ein Werkstoff, der empfindlich gegenüber SRK ist. SRK wird durch innere oder äussere Zugspannungen ausgelöst, während Druckspannungen dieser Korrosionsart entgegenwirken können. Es ist wichtig anzumerken, dass SRK selbst bei Stählen auftreten kann, die normalerweise gegenüber dem betreffenden Medium beständig sind. Diese Korrosionsform führt zur Bildung von Rissen, die häufig senkrecht zur Spannungsrichtung verlaufen und mit blossem Auge schwer erkennbar sind. Da sie immer an Teilen auftritt, die unter Zugbelastung stehen, kann sie zu katastrophalem Versagen der betroffenen Komponenten führen.

Auswirkungen und Angriffsmedien

Die austenitischen Standard-Edelstähle sind besonders empfindlich gegenüber SRK, während es bei ferritischen und ferritisch-austenitischen Stählen eher ungewöhnlich ist. Häufige Angriffsmedien, die diese Art der Korrosion verursachen, sind chlorhaltige oder alkalische Lösungen. Wasser und Wasserdampf können in bestimmten Fällen ebenfalls zu SRK bei austenitischen Stählen führen. Mit steigender Chloridionenkonzentration erhöht sich die Anfälligkeit, und schon geringe Chloridgehalte bei hohen Temperaturen können zu Schäden führen.

Schutzmassnahmen gegen Spannungsrisskorrosion

Um SRK bei Edelstahl zu vermeiden, können verschiedene Schutzmassnahmen ergriffen werden:

  • Glühen von kaltverformten oder geschweissten Werkstücken: Durch das Glühen werden die eingebrachten Spannungen abgebaut. Einfache Cr-Ni-Stähle ohne Stabilisierung werden auf Temperaturen über 900°C erhitzt. Bei niedrigeren Glühtemperaturen besteht jedoch die Gefahr der interkristallinen Korrosion. Für niob- oder titanstabilisierte Stähle oder solche mit niedrigem Kohlenstoffgehalt empfiehlt sich ein Entspannen bei 900°C und langsames Abkühlen. Die beste Methode ist ein Lösungsglühen bei 1050°C mit anschliessender Wasserabschreckung.

  • Verwendung spezieller hochlegierter Stähle: Im Baugewerbe, wo neben hoher Korrosionsbeständigkeit auch eine hohe Festigkeit gefordert wird, haben sich Stähle wie 1.4539 (904L) und 1.4547 (254SMO) als wirksame Lösungen erwiesen. Diese Stähle bieten eine gute Beständigkeit gegen SRK, selbst bei Kaltverformung.

Spannungsrisskorrosion (SRK) ist eine besondere Herausforderung bei Edelstählen. Durch das Verständnis der Ursachen und der Schutzmassnahmen können Konstrukteure und Ingenieure geeignete Vorkehrungen treffen, um SRK zu vermeiden. Das Glühen von Werkstücken und der Einsatz hochlegierter Stähle sind effektive Strategien, um die Auswirkungen der SRK zu minimieren und die Korrosionsbeständigkeit von Edelstahlkomponenten langfristig sicherzustellen.

Korrosionsermüdung

Korrosionsermüdung ist ein bedeutendes Problem bei Edelstahlkonstruktionen, das durch die Kombination von mechanischer Ermüdung und Korrosion verursacht wird. 

Ursachen der Korrosionsermüdung

Korrosionsermüdung tritt auf, wenn ein Werkstoff, der in Kontakt mit einem korrosiven Medium steht, wiederholt Wechselbelastungen, wie Vibrationen oder Schwingungen ausgesetzt ist. Unter diesen Bedingungen bricht die dünne Passivschicht des Edelstahls immer wieder auf. Im Gegensatz zur normalen Korrosion kann sich die Passivschicht nicht erneuern oder stabilisieren, und das korrosive Medium gelangt in die ungeschützte Metallstruktur. Dies führt zu einer beschleunigten Schädigung des Werkstoffs.

Auswirkungen von Korrosionsermüdung

Korrosionsermüdung kann schwerwiegende Folgen für die strukturelle Integrität von Edelstahlkomponenten haben. Insbesondere bei Wärmetauschern, Rührwerk- und Pumpenwellen sowie Rohrleitungen, die mit vibrationsverursachenden Pumpen in Verbindung stehen, wird diese Art der Korrosion häufig beobachtet. Durch den wiederholten Aufbruch der Passivschicht entstehen Rissbildung und Materialverlust, was letztendlich zu Bauteilversagen führen kann.

Lösungsansätze zur Vermeidung von Korrosionsermüdung

Es gibt verschiedene Ansätze, um Korrosionsermüdung bei Edelstahl zu vermeiden oder zu reduzieren:

  • Konstruktive Massnahmen: Durch die Optimierung des Designs können mechanische Belastungen, wie Vibrationen oder Schwingungen, minimiert werden. Die Verwendung von Dämpfungselementen oder Schwingungsdämpfern kann dazu beitragen, die Intensität der Belastungen zu verringern und somit die Wahrscheinlichkeit von Korrosionsermüdung zu reduzieren.

  • Materialauswahl: Die Auswahl des richtigen Edelstahls ist entscheidend, um eine gute Beständigkeit gegenüber korrosiven Medien und Ermüdungsbelastungen zu gewährleisten. Spezielle rostfreie Edelstahlsorten mit erhöhter Korrosionsbeständigkeit, wie beispielsweise Duplex- oder Superduplex-Edelstähle, können eine bessere Leistung in korrosiven Umgebungen bieten.

  • Oberflächenschutz: Durch geeignete Oberflächenbehandlungen kann der Edelstahl vor korrosiven Medien geschützt werden. Eine häufig angewendete Methode ist die Passivierung, bei der eine dünne Schutzschicht auf der Oberfläche des Edelstahls gebildet wird. Diese Schicht verhindert das Eindringen von Korrosionsmitteln und erhöht die Beständigkeit gegenüber Korrosionsermüdung.

  • Regelmässige Inspektion und Wartung: Um potenzielle Schäden frühzeitig zu erkennen, ist es wichtig, regelmässige Inspektionen und Wartungsmassnahmen durchzuführen. Dadurch können Anzeichen von Korrosionsermüdung rechtzeitig erkannt und geeignete Massnahmen ergriffen werden, um Schäden zu vermeiden oder zu reparieren.

  • Korrosionsinhibitoren: Die Verwendung von Korrosionsinhibitoren kann dazu beitragen, die Korrosionsrate zu reduzieren und somit auch die Wahrscheinlichkeit von Korrosionsermüdung zu verringern. Diese Chemikalien bilden eine Schutzschicht auf der Metalloberfläche und verlangsamen den Korrosionsprozess.

Korrosionsermüdung ist eine ernsthafte Herausforderung bei Edelstahlkonstruktionen, die durch die Kombination von mechanischer Ermüdung und Korrosion verursacht wird. Durch die oben genannten Lösungsansätze kann die Gefahr der Korrosionsermüdung reduziert werden. Es ist wichtig, diese Massnahmen in Betracht zu ziehen, um die Lebensdauer und Zuverlässigkeit von Edelstahlkomponenten zu gewährleisten und potenzielle Schäden oder Ausfälle zu vermeiden.

Erosionskorrosion

Die Erosionskorrosion ist eine spezielle Art der Korrosion, die durch die Kombination von Erosion und chemischer Korrosion entsteht. Wir werden im folgenden Teil die Ursachen dieser Korrosionsart betrachten und mögliche Lösungsansätze vorstellen.

Was ist Erosionskorrosion?

Erosionskorrosion tritt auf, wenn ein strömendes Medium, sei es eine Flüssigkeit oder ein Gas, auf eine Oberfläche trifft und diese sowohl mechanisch als auch chemisch angreift. In bestimmten Strömungssituationen, wie bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten oder in Strömungswirbeln, wird die Korrosionsrate erheblich erhöht. Insbesondere wenn das strömende Medium abrasive Feststoffe enthält, verstärkt sich der Angriff auf die Oberfläche. Die Folge sind hufeisenförmige Vertiefungen, die in Strömungsrichtung ausgekerbt sind und eine blanke Oberfläche ohne typische Korrosionspunkte aufweisen.

Ursachen der Erosionskorrosion

Die Erosionskorrosion entsteht durch die kombinierte Wirkung von Erosion und chemischer Korrosion. Die mechanische Beanspruchung der Oberfläche durch die Strömung führt zum Aufbrechen der schützenden Passivschicht. Dadurch wird das Metall freigelegt und dem korrosiven Medium ausgesetzt. Bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten und dem Vorhandensein von abrasiven Feststoffen wird die Korrosion zusätzlich verstärkt.

Lösungsansätze zur Bekämpfung und Vermeidung von Erosionskorrosion

  • Optimierung der Strömungsverhältnisse: Eine Möglichkeit, die Erosionskorrosion zu bekämpfen, besteht darin, die Strömungsverhältnisse so zu optimieren, dass wirbelbedingte Erosionseffekte minimiert werden. Dies kann durch die Verwendung von Strömungsbegrenzern, Richtungsänderungen oder speziellen Beschichtungen erreicht werden.

  • Wahl des geeigneten Werkstoffs: Wenn die Strömungsbedingungen eine Erosionskorrosion begünstigen, kann die Wahl eines Werkstoffs mit höherer Abriebfestigkeit eine Lösung sein. Beispielsweise sind ferritisch-austenitische Duplexstähle gegenüber Erosionskorrosion widerstandsfähiger als reine austenitische Edelstähle.

  • Oberflächenbeschichtungen: Der Einsatz von speziellen Oberflächenbeschichtungen kann die Beständigkeit gegen Erosionskorrosion verbessern. Diese Beschichtungen können die mechanische Belastbarkeit erhöhen und die Bildung einer schützenden Passivschicht fördern.

  • Strömungsgeschwindigkeit kontrollieren: Eine moderate Strömungsgeschwindigkeit von 1 bis 2 m/s kann dazu beitragen, die Erosionskorrosion zu reduzieren. Durch die Kontrolle der Strömungsgeschwindigkeit kann die mechanische Belastung auf die Oberfläche verringert werden.

Erosionskorrosion stellt eine Herausforderung dar, der insbesondere bei strömenden Medien in bestimmten Bedingungen begegnet werden muss. Durch gezielte Massnahmen wie die Optimierung der Strömungsverhältnisse, die Wahl des geeigneten Werkstoffs, den Einsatz von Oberflächenbeschichtungen und die Kontrolle der Strömungsgeschwindigkeit kann die Erosionskorrosion reduziert oder vermieden werden. Es ist wichtig, diese Aspekte bei der Planung und Konstruktion von Anlagen zu berücksichtigen, um die Lebensdauer und Effizienz von Edelstahlkomponenten zu gewährleisten.

Fremdrost

Fremdrost entsteht, wenn eine Edelstahloberfläche mit nicht vollständig entzunderten Schweissnähten oder Eisenablagerungen in Kontakt kommt. 

Ursachen von Fremdrost

Die Bildung von Fremdrost kann auf zwei Hauptursachen zurückgeführt werden. Zum einen können durch unsachgemässes Schweissen entstandene Zündstellen und Spritzer  dazu führen, dass sich Feuchtigkeit und Verunreinigungen ansammeln, was letztendlich zur Korrosion führt. Zum anderen können Eisenablagerungen auf der Edelstahloberfläche die Ursache sein. Diese Ablagerungen können durch den Kontakt mit normalem Stahl während des Transports, der Lagerung oder Verarbeitung sowie durch Umweltbelastungen wie Bremsstaub vom Schienenverkehr entstehen.

Auswirkungen von Fremdrost

Normalerweise wird der Edelstahl durch Fremdrost nicht direkt beeinträchtigt. Allerdings können bei starkem oder lang anhaltendem Befall die Eisenablagerungen das Grundmaterial beeinträchtigen. Dies kann zu einer Verminderung der Korrosionsbeständigkeit und zu ästhetischen Beeinträchtigungen wie Fleckenbildung auf der Oberfläche führen. Es ist daher wichtig, Fremdrost frühzeitig zu erkennen und entsprechende Massnahmen zur Behandlung zu ergreifen.

Behandlungsmöglichkeiten

Die Behandlung von Fremdrost hängt von der Stärke des Befalls ab. In vielen Fällen kann eine einfache Reinigung der Edelstahloberfläche ausreichen. Hierfür stehen spezielle Reinigungsmittel zur Verfügung, die für Edelstahl geeignet sind. Bei hartnäckigem Fremdrost können jedoch weitere Schritte erforderlich sein. Dazu gehören das Abschleifen der betroffenen Stellen oder eine Nachbehandlung mittels Beizen. Bei der Durchführung dieser Massnahmen ist es wichtig, die entsprechenden Verfahrens- und Umweltvorschriften zu beachten, um eine sichere und effektive Behandlung zu gewährleisten.

Die beste Vorgehensweise ist natürlich, Fremdrost von vornherein zu vermeiden. Dazu gehört eine sorgfältige Trennung von Edelstahl und normalem Stahl während der Lagerung, des Transports und der Verarbeitung. Es ist auch wichtig, Schweissnähte fachgerecht auszuführen und gegebenenfalls nachzubearbeiten, um mögliche Defekte zu minimieren. Hierzu gehört auch das Entfernen von Anlassfarben. 

Fazit 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine gründliche Kenntnis der verschiedenen Arten von Korrosion bei Edelstahl von entscheidender Bedeutung ist, um Schäden an Bauteilen und Produkten zu vermeiden. Es ist auch wichtig zu verstehen, dass es nicht nur eine einzige Korrosionsursache gibt, sondern verschiedene Mechanismen und Bedingungen, unter denen Korrosion auftreten kann. Durch präventive Massnahmen wie richtige Materialauswahl, richtige Konstruktion, Oberflächenbehandlung und regelmässige Wartung können Korrosionserscheinungen minimiert und die Haltbarkeit von Edelstahlprodukten verlängert werden.

Durch die Kenntnis der Ursachen, Auswirkungen und Schutzmassnahmen können Schäden minimiert oder sogar verhindert werden. 

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Dr. René Mächler

Leiter Qualitätsmanagement & Technik / Dipl. Werkstoffingenieur ETH

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