«Vertrauen ist das entscheidende Stichwort» – ein Gespräch über Führungswechsel und Zukunftssicherung

Unternehmen

Im Gespräch mit Hans R. Kohler und Marco Borter zur Nachfolgeregelung bei KOHLER

Der Übergang von der Führungsrolle in den Ruhestand ist für Unternehmerpersönlichkeiten oft ein langer und beschwerlicher Weg. Es endet ein Lebensabschnitt, der bedeutende Mengen an Kapital, Lebenszeit und Leidenschaft erforderte. Eine erfolgreiche Geschäftsübergabe gelingt, wenn alle Beteiligten zu einem Miteinander bekennen und langfristig denken. Bei Hans Kohler und Marco Borter ist dies der Fall. Hans zeigte sich bereit, Schritt für Schritt in den Hintergrund zu treten und gleichzeitig darauf zu vertrauen, seinen Nachfolger Marco «machen zu lassen» und dessen Entscheidungen zu akzeptieren. Wir erfahren, welche Schritte die beiden unternommen und welche Lehren sie daraus gezogen haben, um einen fliessenden Übergang in eine neue Ära zu gewährleisten.

Die Suche nach einem kompetenten Nachfolger stellt für viele Unternehmen eine echte Herausforderung dar, insbesondere wenn eine familieninterne Übergabe ausgeschlossen ist. Wie war das bei euch und wie seid ihr vorgegangen?

Hans: Die Suche nach einem geeigneten Nachfolger war tatsächlich anspruchsvoll. Um nicht unter Zeitdruck zu geraten, habe ich lange vor meinem geplanten Rückzug mit der Evaluation angefangen. In Marco fand ich vor fünf Jahren eine Führungspersönlichkeit, die das nötige Potenzial hatte, die Gesamtleitung zu übernehmen. Der Einstieg als Leiter Verkauf und Marketing bildete einen sinnvollen Ausgangspunkt, um das Unternehmen durch und durch kennenzulernen. Marco führt die HANS KOHLER AG nun seit einem Jahr. Sein Team und er machen einen so guten Job, dass mir fast ein wenig langweilig wird (lacht). Nein, Spass beiseite: Ich habe volles Vertrauen in Marcos Führungsteam und bleibe dem Unternehmen eng verbunden. Ich sehe mich als internen Berater für komplexe Fragen und anspruchsvolle Themen. Nach bald 40 Jahren in der Branche habe ich sozusagen Edelstahl im Blut statt Eisen (schmunzelt).

Marco: Vertrauen ist das entscheidende Stichwort. Hans war über Jahrzehnte in allen Bereichen und Themen der Firma sehr nah dran, er kennt das Unternehmen wie kein anderer. Ich weiss, dass er sich immer Zeit nimmt, um mich zu unterstützen, wenn ich ihn brauche. Das gilt auch für Themen wie digitales Marketing und die neue Customer Experience Plattform. Hans vertraut meinem Team und mir, dass der zukunftsweisende Veränderungsprozess gelingt und lässt uns freie Hand. Gleichzeitig ist sein Wissen von unschätzbarem Wert in entscheidenden Momenten. Nicht zuletzt spielen langjährige externe Vertrauenspartner wie atedo eine wichtige Rolle für den Erfolg einer solchen Transformation.

Welche Erfahrungen aus deiner bisherigen beruflichen Tätigkeit haben dir, Marco, besonders geholfen, in den Nachfolge-Prozess einzusteigen und ihn erfolgreich abzuschliessen?

Marco: Ich habe bereits früh in meiner beruflichen Karriere und zuhause gelernt, dass harte Arbeit und Engagement zu guten Ergebnissen führen. Um es sportlich auszudrücken: Man muss immer am Ball bleiben, um im richtigen Moment das Tor zu schiessen. Diese Einstellung begleitet mich bis heute. Ich war vor meinem Engagement bei KOHLER bei der Mercedes-Benz Schweiz AG tätig, wo ich wertvolle Erfahrungen gesammelt und mich persönlich weiterentwickelt habe. Dazu gehört auch, Zusammenhänge zu analysieren und kritisch zu hinterfragen – ein Werkzeug, das ich mir bei meinem früheren Arbeitgeber aneignen konnte.

Hans: Unternehmerisches Denken und Handeln kann man nicht lernen, man muss es erleben und sich aneignen. Bei Marco spürt man, dass er mit dem entsprechenden Mindset aufgewachsen ist, es wurde ihm quasi am Mittagstisch bei den Mahlzeiten und Familienthemen eingeflösst. Ich zum Beispiel habe als Jugendlicher die geplante neue Lagerhalle der Firma meines Vaters mit Legosteinen nachgebaut …

Marco: ... Ha, das kann ich mir gut vorstellen, wie du mit Lego eine perfekte Lagerhalle baust (lacht).

Hans, was schätzt du noch besonders an Marco?

Hans: Marco ist ein Schnelldenker mit einem reichen Erfahrungsschatz, er verfügt über eine starke Auffassungsgabe und kommuniziert sehr offen. Diese Eigenschaften, gepaart mit seiner ausgeprägten Zuverlässigkeit, überzeugen mich jeden Tag aufs Neue. Marco kommt ohne die Schnörkel der Grosskonzern-Manier aus, was ich sehr schätze. Er geht Herausforderungen jeder Grössenordnung an und meistert sie mit hoher Integrität.

Und du, Marco, was schätzt du besonders an Hans?

Marco: Erstmal: Danke für deine Worte, Hans. Das ehrt mich. Kommen wir zu dir. Zwei Themen stechen aus meiner Sicht deutlich hervor: Hans ist in heiklen Phasen krisenresistent und bewahrt einen kühlen Kopf. Er ist in der Lage, die aufkommenden Wellen im Unternehmertum zu durchschauen, anzunehmen und zu vermitteln. Zum anderen hilft uns sein riesiger Erfahrungsschatz rund um den Edelstahlhandel mit all seinen Eigenheiten und Marktschwankungen. Dazu kommt die unternehmerische Erfahrung, die mir als Vorbild dient.

Alles beginnt auf Feld Eins: Welche Faktoren sind aus eurer Sicht entscheidend, um eine Nachfolgeplanung gemeinsam zu starten?

Marco: Zu Beginn meiner Suche nach einer neuen Herausforderung in einem inhabergeführten Schweizer KMU stand die Nachfolgethematik nicht im Vordergrund. Vielmehr ging es darum, mich in die Welt des Edelstahls einzuarbeiten. Ich wollte in den mir anvertrauten Bereichen Spitzenleistungen erbringen. Die Ambition, die Gesamtleitung zu übernehmen, war für mich vorderhand zweitrangig. Vom ersten Tag an wurde ich offen aufgenommen und fand eine klare Kommunikation auf Augenhöhe vor. Das erachte ich als entscheidend für eine erfolgreiche Transformation und Nachfolgeregelung. Beeindruckt hat mich, dass Hans alle Mitarbeitenden mit vollem Namen kannte und bei meinem ersten Rundgang durch das Logistikzentrum alle persönlich begrüsste.

Hans: Ich habe nicht in erster Linie einen neuen CEO gesucht, sondern einen Verkaufsleiter mit Entwicklungspotenzial zur Gesamtleitung. Ich habe mich bewusst für Marco entschieden, weil ich bei ihm die Basis für eine überzeugende Leistung in Verkauf und Marketing sowie das nötige Wachstumspotenzial in Richtung Gesamtleitung über mehrere Jahre gesehen habe. Der Prozess wurde von Anfang an auch von bewährten Mitarbeitenden mitgetragen, die bei der Initiierung eines Nachfolgeprozesses helfen können. Das Kollektiv spielt eine wichtige Rolle für neue Wege in Führung und Transformation.

Vertrauen, Freude, Performance, Speed, Glanz – diese Kernattribute der Marke KOHLER habt ihr gemeinsam mit dem Führungsteam Anfang 2019 quasi zu Marco’s Einstieg herausgeschält. Welchen Nutzen habt ihr aus diesem erarbeiteten Commitment für den Nachfolgeprozess und Führung im Allgemeinen gezogen? Und wie erreicht ihr diese hochgesteckten Ziele in der gemeinsamen Transformation der HANS KOHLER AG?

Hans: Die gemeinsame Arbeit an der Positionierung hat allen Beteiligten gezeigt, wie die anderen ticken. Für mich war es wie bei einem Konzert, wenn die Orchestermitglieder sich gegenseitig den Ton vorgeben, sich aufeinander einstimmen. Oder wie bei einer Carrera-Rennbahn, wenn die Rennautos wieder auf Kurs und Geschwindigkeit gebracht werden. Die vorangegangenen Jahre 2017 und 2018 waren geprägt von einer extremen Belastung meiner Person durch die Fertigstellung des neuen Lagers und durch personelle Ausfälle im Kader.

Marco: Neben der erfreulichen Zusammenarbeit im Führungsteam bei der Erhebung der strategischen Positionierung spielt für mich der Proof of Positioning – also das Beweisen der angestrebten Position – eine entscheidende Rolle. Die Bestandteile des Cockpits als Wegleitung haben in zahlreichen Bereichen zu Innovationen und Optimierungen geführt. Zusammen mit der Neuerstellung i der gesamten Logistikinfrastruktur mit den verschiedenen automatischen Hochregallagern in den neuen, grossflächigen Hallen wurde in diesen Jahren eine vielversprechende Ausgangslage für die Zukunft geschaffen. Ich respektiere und schätze auch die Investitionsbereitschaft des Eigentümers, die uns immer wieder den Weg zu neuen Erfolgen ebnet.

Welche Aspekte sind im Verlauf des Prozesses essentiell für die erfolgreiche Etablierung der neuen Management-Generation?

Marco: Der matchentscheidende Faktor ist aus meiner Sicht die Fokussierung – die Konzentration auf eine abgesteckte Anzahl von Themen pro Zeitraum. Es geht nicht alles auf einmal. Jedoch muss eine möglichst hohe Anzahl an Themen realisiert werden. Darüber hinaus sehe ich eine transparente, proaktive Kommunikation und einen kollaborativen Arbeitsstil als wesentliche Säulen für den zukünftigen Erfolg in jedem Bereich von KOHLER.

Hans: Aus meiner Sicht spielen persönliche Treffen eine entscheidende Rolle, um komplexe und herausfordernde Themen effizient und nachhaltig zu bearbeiten. Die Nähe zum Geschehen ist unglaublich effektiv, um überzeugende Ergebnisse zu erzielen. Offene Diskussionen und bilateraler Austausch klären Zweifel und fördern die individuelle Entwicklung. Starre Haltungen führen meiner Erfahrung nach zu Konflikten. Bei Innovationen führen ein guter Mix aus Persönlichkeiten – kritisch, konservativ, zukunftsorientiert – und ehrliches Feedback zum Erfolg. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Konkordanz: Wenn das Führungsgremium als Ganzes entscheidet, kann man auch als Kollektiv hinter der Entscheidung stehen.

Meiner Erfahrung nach kann eine Entscheidung über den Kopf hinweg im Nachgang zu Problemen oder Unzufriedenheit führen. Ich würde daher raten: Pulsmessen, das habe ich bei wichtigen Entscheidungen oft praktiziert, insbesondere bei Prozessoptimierungen (lacht).

Was sind die nächsten Schritte und wo steht ihr im Prozess?

Marco: Die Erneuerungsprozesse waren bereits in vollem Gange, als ich ins Unternehmen kam. In den Bereichen Digitalisierung, Innovation und Automatisierung haben wir noch Nachholbedarf, wir sind immer am Ball. Neue Themen werden in Zukunft in noch schnelleren und kürzeren Zyklen auftauchen und uns zu proaktivem, agilem Handeln zwingen. Den kommenden Ansprüchen gerecht zu werden ist aus meiner Sicht die grösste Herausforderung für das gesamte Team inklusive der Geschäftsführung.

Hans: Ich sehe das als Bild: Wir wollen vom Segeln hart am Wind durch Trimmen zum Gleiten kommen und so den Schwung aus den erreichten Erfolgen mitnehmen.

Erfolgsfaktoren Nachfolgeregelung

  • Frühzeitige Planung. Die Suche nach einer geeigneten Nachfolgerin oder einem geeigneten Nachfolger sollte frühzeitig beginnen, damit genügend Zeit für die Auswahl, die Entwicklung und den eigentlichen Übergabeprozess zur Verfügung steht.

  • Klare Kommunikation. Eine offene und transparente Kommunikation mit allen Beteiligten, einschliesslich Mitarbeitenden, Kundinnen und Kunden sowie anderen relevanten Stakeholdern, ist von entscheidender Bedeutung. Klare Kommunikation schafft Vertrauen und verringert Unsicherheiten.

  • Vertrauen und Akzeptanz. Der ausscheidende Unternehmer sollte Vertrauen in seinen Nachfolger haben und bereit sein, ihm die notwendige Autorität und Verantwortung zu übertragen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass der Nachfolger die vorhandenen Erfahrungen und das Wissen des Vorgängers respektiert.

  • Umgang mit Konflikten. Während eines Übergangs kann es zu Konflikten kommen. Ein effektives Konfliktmanagement ist wichtig, um Hindernisse zu überwinden und einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten.

  • Gemeinsames Engagement. Die Einbeziehung aller Beteiligten, insbesondere der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, in den Prozess und die Kommunikation der Veränderungen sind wichtig, um das Engagement der Belegschaft aufrechtzuerhalten und Widerstände zu minimieren.

  • Bereitschaft zur Veränderung. Die neue Führungsgeneration sollte nicht nur bestehende Prozesse übernehmen, sondern auch Mut zur Transformation und Innovation zeigen. Dazu gehört die Einführung moderner Technologien, digitaler Strategien und innovativer Geschäftsmodelle.

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